In der altehrwürdigen FAZ hat ein ehemaliger Lehrer unter dem Titel „Was im Unterricht wirkt“ behauptet, dass die fragend-entwickelnde Unterrichtsmethode zu „hervorragenden Ergebnissen“ führen würde, insbesondere bei komplexen Sachverhalten und Sinnzusammenhängen. Einen Beleg für diese Erkenntnis hat er sich gespart, obwohl er fast eine halbe Seite füllen durfte..

Ich habe mir dann erlaubt, darauf zu korrigierend mit dem provozierenden Begriff „Osterhasenpädagogik“ zu antworten. Mit diesem Begriff beschreibt der renommierte Bildungsforscher Diethelm Wahl treffend die in Deutschland weit verbreitete, obwohl für das Lernen äußerst ungünstige, Praxis des fragend-entwickelnden Unterrichts. „So wie an Ostern Eier versteckt werden, so versteckt die Lehrperson ihr wertvolles Wissen, und die Schüler müssen es durch Fragen geleitet suchen“. Anstatt das erforderliche Wissen verständlich und gut geordnet zu präsentieren, soll das Wissen „erarbeitet“ werden. Dazu stellt der Lehrer Fragen, auf welche die Schüler antworten sollen, damit sie in diesem Prozess zu eigenen Erkenntnissen kommen.

Wahl hat empirisch nachgewiesen, dass die Lerngeschwindigkeit in einer Gruppe von jungen Lernern mit dem Faktor 1:9 schwankt. Wie ich auch in meiner eigenen Lehrerpraxis beobachten konnte, führt dies im Regelfall dazu, dass der Lehrer sein Fragespiel mit 2 – 3 Schülern durchführt, die auf seiner „Wellenlänge“ liegen. Der Rest wird entweder gelangweilt oder überfordert. Zumindest hat der Lehrer dann anschließend das Gefühl, einen „spannenden“ Unterricht gemacht zu haben. Weiter hat Wahl ermittelt, dass nur etwa 15 % der gesamten Planungszeit von Lehrern und Dozenten für die methodische Vorbereitung genutzt wird. Die Fragen entstehen also spontan und sind deshalb häufig nicht wirklich zielführend.

Dies Anmerkungen führten zu heftigen Reaktion von durchgehend promovierten Lehrern, die mir Respektlosigkeit vorwarfen, dass ich nie als Lehrer gearbeitet hätte (obwohl ich es in 13 Jahren bis zum Oberstudienrat gebracht habe) oder nur im beruflichen Schulbereich (?) gearbeitet hätte (also keine Ahnung vom Lernen in allgemeinbildenden Schulen hätte). Alle betonten, zu welche hervorragenden Ergebnissen diese Methode führen würde, ohne auch nur einen Beleg dafür zu zitieren.

Ein bißchen verstehe ich diese Reaktionen, da ich diesen ehemaligen Kollegen vorgehalten habe, über ihr gesamtes Lehrerdasein hinweg eine pädagogische Methode genutzt zu haben, die nicht sinnvoll ist. Trotzdem hoffe ich, dass immer mehr Lehrer und Fachleiter in der Lehrerausbildung  zur Erkenntnis kommen, dass es nicht um die Lehre geht, sondern um die Ermöglichung selbstorganisierten Lernens der Schüler.

2 Comments

  1. Pingback: Wider die Osterhasenpädagogik | Weiterbildungsblog

  2. Hallo Herr Sauter! Sie sprechen mir aus der Seele. Es wird nach wie vor wichtig sein, am Rollenverständnis von Lehrern zu arbeiten. Ich habe das Studium zur Lehrerin auch aus diesem Grund verlassen – und das ist schon über 20 Jahre her. Ich bin zu einem Unternehmen gewechselt, das sich auch dieser Aufgabe verschrieben hat: Lehren als eine besondere Chance zu sehen, die die Lernenden ins Zentrum stellt und alle außenrum dazu zu befähigen damit umzugehen. Mich hat abgesehen davon außerdem Urs Ruf mit seinem „dialogischen Lernen“ beeindruckt. Neben allen anderen Aspekten fand ich es interessant, dass er versichert: Lehrer und Schüler können immer beide etwas beitragen. Das sehen wir auch für die Hochschulbildung der Zukunft geboten und beschreiben das in unserem Buchbeitrag zu „Studium der Zukunft – Absolvent(inn)en der Zukunft“ (Ulf-Daniel Ehlers; Sarah A. Meertens: Hrsg.) im Kapitel 6 „Future Skills bei der dm-drogerie markt GmbH + Co. KG – 6.6.2: Die Rolle der Lehrenden.
    Ich hoffe, dass das gelingt. Viele Grüße
    Andrea Koch

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